Traubentrester
Wertstoffgenerierung aus dem Abfallprodukt
Auftraggeber: | Fachabteilung 19D, Projektleiterin: Dipl.-Ing. Gudrun Walter |
Auftragnehmer: | JOANNEUM RESEARCH, Institut für Nachhaltige Techniken und Systeme |
Beteiligte: | Dr. Herbert Böchzelt, Mag. Wilhelm Haas, DI Johann Lomšek, Gerald Pöltl, Mag. Susanne Wagner |
Laufzeit: | Oktober 2001 – Juli 2003 |
Einführung
Die Weinrebe ist in Gegenden der Süd-, Ost- und Weststeiermark eine weitverbreitete Kulturpflanze, der Anbau und die Gewinnung von Wein stellt in den erwähnten Gegenden einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor dar. Der bei der Weingewinnung anfallende Traubentrester wird zur Zeit meist kompostiert und anschließend als Dünger wieder in den Weinbergen ausgebracht.
Im Zuge der Überlegungen aus "biogenen Rest- und Abfallstoffen“ zusätzliche Wertstoffe (Kaskadennutzung) zu gewinnen, ergeben sich gerade für die Nutzung des Traubentresters interessante Möglichkeiten. Ein mögliches Produkt ist dabei das Traubenkernöl, welches aufgrund seines sehr hohen Anteils an der ungesättigten Fettsäuren einen beachtlichen ernährungsphysiologischen Wert besitzt, aber zurz Zeit in Österreich weder nach neuestem technologischen Stand, noch in marktrelevanten Mengen produziert wird. Die Verwertungsoptionen beschränken sich jedoch nicht nur auf die Gewinnung von Traubenkernöl. Im Trester und speziell den Traubenkernen sind auch unterschiedliche Antiitoxidantien (z.B. Proanthocyanidine) enthalten. Verbindungen, die in letzter Zeit aufgrund ihrer gesundheitsförderlichen Eigenschaften Aufmerksamkeit erregt haben, und damit den Traubentrester zu einem potenztiell interessanten Rohstoff machen.
Die Inhalte des Projektes umfassen folgende Punkte:
- Die Ermittlung des Einflusses von, im steirischen Weinbau vorhandenen, traubensortenspezifischen Unterschieden auf die Gewinnung von Traubenkernöl und Proanthocyanidinen.
- Das Einholen von Information von zur großtechnischen Verarbeitung des Traubentrester erforderlichen technologischen Gegebenheiten zur Trocknung, Reinigung und Verpressung der Traubenkerne bzw. des Tresters und die exemplarische Durchführung von Großversuchen.
- Die Untersuchung des Einflusses der Lagerzeit des feuchten Tresters auf die Gewinnung von Traubenkernöl und Proanthocyanidinen
- Der Einfluss verschiedener Presstechnologien auf die Qualität des gewonnenen Traubenkernöls und auf die Eignung des anfallenden Presskuchens zur Extraktion der Proanthocyanidine
- Die Darstellung von Stoffströmen zur gleichzeitigen Gewinnung unterschiedlicher Produkte (z.B. Traubenkernöl, Proanthocyanidinen, ...) als Basis wirtschaftlicher Betrachtungen
Ziele
Es sollen innovative Möglichkeiten zur Nutzung von Traubentrester aufgezeigt und dazu neue technologische Verfahren für wirtschaftliche Umsetzungen erarbeitet werden. Spezielles Augenmerk liegt dabei auf den Möglichkeiten zur Gewinnung von Traubenkernöl, von pharmakologisch interessanten Antioxidantien sowie der Nutzung verschiedener Reststoffe im Bereich der Tierfutter und Kosmetikindustrie. In der Arbeit werden dabei auch regionale und sortenspezifische Besonderheiten im steirischen Weinbau berücksichtigt.
Zusammenfassung und Ergebnisse
Die wirtschaftlich-technologische Beurteilung des Potenztials zur Nutzung des in der Steiermark bei der Weinproduktion anfallenden Traubentresters zur Gewinnung unterschiedlicher Produkte wie Traubenkernöl und Proanthocyanidinen (Antioxidantien aus den Traubenkernen) erfordert die Bearbeitung verschiedener Fragestellungen. Im Rahmen der im Bericht beschriebenen Arbeiten wurde daher der Einfluss der folgenden Punkte auf die Gewinnung der genannten Wertstoffe ermittelt: Traubensortenspezifische Unterschiede, unterschiedliche Lagerzeiten des Tresters vor der weiteren Verarbeitung, unterschiedliche Presstechnologien zur Gewinnung des Traubenkernöls, die Qualität des Traubenkernöls und der Extrakte. Weiters wird ein Überblick über unterschiedliche Einsatzbereiche für Traubentresterprodukte gegeben, sowie das wirtschaftliche Potenztial einiger dieser Produkte abgeschätzt.
Der hohen Sortenvielfalt des steirischen Weins wurde in den Untersuchungen Rechnung getragen, indem Traubentresterproben aus der Verarbeitung von den folgenden sieben verschiedenen Traubensorten bezüglich der Gewinnung der genannten Inhaltsstoffe untersucht wurden (die Werte in den Klammern entsprechen den Anteilen der Sorten in der Weinsortenverteilung 1997 in der Steiermark): Chardonnay (5,5 %), Muskateller (2 %), Sauvignon Blanc (6 %), Rheinriesling (2,5 %), Schilcher (17 %), Welschriesling (22 %) und Zweigelt (12 %). Die Summierung der Anteile dieser Sorten in der Weinsortenverteilung in der Steiermark ergibt also einen Wert von 67 %; durch die Auswahl dieser Sorten wird daher die tatsächliche Situation in der Steiermark in sehr guter Weise wiedergegeben.
Es wurde der Mengenanteil an Traubenkernen in den verschiedenen Trestern untersucht und dabei festgestellt, dass dieser Anteil in Trestern aus Rotweinsorten tendenziell höher ist als jener in Trestern aus Weißweinsorten. Eine erste maschinelle Aufarbeitung (Trocknung und Klassierung) der Trester im industriellen Maßstab (600 - 800 kg Trester) wurde für die Sorten Schilcher, Welschriesling und Zweigelt durchgeführt. Dabei wurden Traubenkerne in sehr großer Reinheit erhalten, ein Faktor, der für die spätere Gewinnung von hochwertigem Traubenkernöl entscheidend ist. Der Mengenanteil an Traubenkernen stellt sich wie folgt dar [w/w]: 29 % (Schilcher), 30 % (Welschriesling) und 41 % (Zweigelt). Die Werte für den Ölgehalt in den Trauben aus den untersuchten sieben verschiedenen Traubensorten betrugen zwischen 9,4 und 16 % und entsprechen den Angaben aus der Literatur. Ein ebenfalls in einigen Literaturstellen beschriebener Unterschied im Ölgehalt von Kernen aus Rot- und Weißweinsorten konnte dabei nicht festgestellt werden. Sehr unterschiedliche Werte für den Ölgehalt aus den Kernen von Zweigelttrauben von verschiedenen Anbauorten zeigten, dass neben dem sortenspezifischen auch andere auf den Ölgehalt einflussnehmende Parameter existieren (Wetter, Boden, ...). Die ermittelten Fettsäurezusammensetzungen der gewonnenen Öle entspricht den Literaturwerten. Traubenkernöl ist aufgrund seines hohen Gehalts an der essentiellen Linolsäure (in den hier beschriebenen Arbeiten wurden Anteile bis zu 77 % bestimmt) ein ernährungsphysiologisch hochwertiges Speiseöl.
Da bei der Verarbeitung von größeren Mengen an Traubentrestern mit längeren Lagerzeiten der Trester zu rechnen ist, wurden auch Versuche zur Bestimmung des Einflusses unterschiedlicher Lagerzeiten der Traubentrester auf die Menge und Qualität der gewonnenen Inhaltstoffe (Traubenkernöl, Proanthocyanidine) durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass bei kurzzeitiger Lagerung (1 - 2 Tage) der Feuchtigkeitsgehalt des Schalen- und Fruchtfleischanteils der Traubentrester reduziert wird, womit auch der Energieverbrauch der nachfolgenden Trocknung gesenkt werden kann. Gleichzeitig wurde eine nur geringfügige Verringerung der Ausbeute an Öl und Proanthocyanidine und keine qualitative Veränderung der Produkte festgestellt. Die Ergebnisse lassen also den Schluss zu, dass eine beschattete Lagerung für 1 - 2 Tage keine grundsätzlichen Qualitätseinbußen bei den untersuchten Nachnutzungen erwarten lässt.
Da die zur Gewinnung der Öle angewandten Presstechnologien gerade auf die letztgenannten Eigenschaften einen großen Einfluss ausüben, wurden im Rahmen einer umfangreichen Versuchsreihe der Einfluss verschiedener Arten der Pressmethodik auf die Menge und Qualität der aus den Traubenkernen gewonnenen Öle bestimmt. Dabei zeigte sich, dass durch den Einsatz einer Stempelpresse (Kaltpressung) erwartungsgemäß Öl von höherer Qualität gewonnen werden konnte als durch den Einsatz einer konventionellen Schneckenpresse (Warmpressung). Vor allem der qualitätsmindernde Gehalt an freien Fettsäuren lag in den warmgepressten Ölen höher als in den kaltgepressten. Erstaunlich war, dass die Ölausbeuten bei Verwendung der Stempelpressen (Versuchsanlage) je nach eingesetzten Verfahrensparametern nur geringfügig unter jener bei Verwendung der Schneckenpresse lag.
Die Beurteilung der untersuchten Traubenkerne und Traubenkernpresskuchen als Quelle zur Gewinnung der antioxidativ wirksamen und pharmakologische interessanten Proanthocyanidine erfolgte nach Extraktion dieser Stoffgruppe. Die Ausbeute an der Proanthocyanidin-Rohfraktion zeigte sich bei den Traubenkernen der Sorten Chardonnay (2,52 %), Muskateller (2,67 %) und Rheinriesling (2,15 %) als in etwa gleich hoch, sie war etwas niedriger bei den Traubenkernen der Sorte Sauvignon Blanc (1,64 %) und signifikant höher bei den Traubenkernen der Sorte Zweigelt (2) (4,56 %). Eine geringere Ausbeute wurde aus getrockneten Kernen erhalten. Eine Optimierung des Prozesses, die den Zusammenhang der Ölausbeute bei der Pressung mit der Restfeuchte der Traubenkerne sowie dem Gehalt an PA-Rohfraktion darstellt, ist also vor einer technischen Umsetzung der Extraktion noch notwendig. Die Versuche zur Gewinnung der Proanthocyanidine aus Presskuchen zeigten, dass die Proanthocyanidin-Rohfraktionen aus den Presskuchen der Pressungen mit der Stempelpresse sowohl bezüglich der Quantität, als auch bezüglich der Qualtität höher zu bewerten sind als die Proanthocyanidin-Rohfraktionen aus den Presskuchen, die bei den Versuchen mit der Schneckenpresse erhalten wurden. Die Qualität der aus dem Stempel-Presskuchen gewonnenen Proanthocyanidin-Rohfraktionen entsprechen auch in ihrer Zusammensetzung den auf dem Markt befindlichen Produkten AktivinTM und LeucoselectTM.
Die Ergebnisse aus den durchgeführten Arbeiten zeigen die Möglichkeit einer ersten, beispielhaften wirtschaftlichen kaskadischen Reststoffnutzung am Beispiel des bei der Weinproduktion anfallenden Traubentresters. Der Einsatz verschiedener im Kaskadenprozess anfallender Nebenprodukte wie (Schalenreste, Presskuchen, etc.) scheint in unterschiedlichsten Anwendungsbereichen wie Kosmetik, Tierfutter, Pflanzenschutz etc. möglich, bedarf jedoch noch einiger Arbeiten zur Produktreife. Das aus Traubenkernen gewonnene Traubenkernöl, zeigt besonders bei der Gewinnung durch Kaltpressung eine ausgezeichnete Qualität. Erste im Litermaßstab erzeugten Chargen von Traubenkernölen der Sorten Welschriesling, Zweigelt und Schilcher fanden bei Tests in der Gastronomie großen Anklang.